Eigenmarken – Pro und Contra

Convenience Shop
Magazin für new channels, Ausgabe 06/2017

Shops sind markengetrieben, sagen die einen. Andere meinen, Eigenmarken sind ein Kundenbindungsinstrument. Genaugenommen bewegen sich Convenience-Stores zwischen beiden Polen.

Text: Ulrike Pütthoff

Die Botschaft ist eindeutig: „Shops müssen viel stärker auf Eigenmarken setzen“, sagt Joosten Brüggemann, und er liefert dafür gleich eins von mehreren Argumenten: „Convenience-Sortimente sind nicht WKZ-getrieben, das heißt, man kann die Waren schneller austauschen.“ Dem Geschäftsführer der Trade Marketeers Branding & Packaging, einer Branding-Agentur, die sich unter anderem dem Thema Handelsmarken widmet, ist bewusst, dass C-Shops vor allem eine Markenrelevanz haben. Kunden erhoffen sich keine Privat-Labels, erwarten aber kompetente Convenience-Sortimente und Produkt mit Mehrwert für die Nahversorgung und ihre To-go-Bedürfnisse. Genau dort liegt aus Brüggemanns Sicht der Ansatzpunkt für Eigenmarken, denn der Handel kann sich damit selbst gestalten

A-Marken hält er im Basis- Sortiment für sinnvoll, aber Shops könnten sich damit nicht profilieren. Insofern komme den unverwechselbaren Eigenmarken heute mehr denn je die Abgrenzungs-Funktion gegenüber den Wettbewerbern zu. Zumal mit ihnen auch die Preistransparenz entfalle. Sie haben eine starke Veränderung hinter sich. Brüggemann stellt aber nicht in Abrede, dass mit ihnen heute Preishierarchien aufgebaut werden und sie den Kunden in seiner Ausgabenbereitschaft steuern. Ihre Qualität, Ausstattung und ihr Design haben sich immer mehr den Herstellermarken genähert. Sie sind keine No-Names mehr, denn Kunden halten sie oft für ebenbürtig mit den Markenartikeln. Gute Eigenmarken sollten als gleichwertig empfunden werden, um über das Pricing und die Gebindeformen einen höheren Stücknutzen zu schaffen.

Geht von den Eigenmarken eine Gefahr für den Markenartikel aus? Für den Trade Marketeers-Manager nicht zwangsläufig: „Wenn Kunden die Eigenmarke akzeptieren, können Marken zwar ihre Funktion verlieren.“ Allerdings würde das auch die Innovationskraft der Sortimente reduzieren, denn die ist den A-Marken zuzuschreiben.

Im Gegensatz zum Lebensmittel-Einzelhandel verfolgten Stores aber nicht das Ziel, mit den Eigenmarken eine gewisse Unabhängigkeit zu erreichen. Nicht nur Brüggemann, sondern auch die meisten Händler sehen sie als Ergänzung zu A-Marken, die richtig positioniert das Gesamtgeschäft stärken. Wo allerdings eine geringe Markenrelevanz besteht, könnten Privat Labels als Ersatz dienen, zum Beispiel bei Hygienepapieren oder bei bestimmten Getränke-Kategorien. Da eine Produktausweitung nicht möglich ist, komme es in Shops umso mehr auf eine intelligente Aussteuerung zwischen Pflicht- (Getränke, Snacks) und Mehrwert-Sortimenten (Near Food/Drogerie, Fertiggerichte, Trockensortiment) an.

Kritisch sei allerdings, dass die umsatzstarken Warengruppen, wie Zigaretten, Zeitschriften, Kraftstoff eine geringe Ertrags- stärke haben. Darum ist aus Brüggemanns Sicht die Kernaufgabe, die Aufenthaltsdauer im Shop zu erhöhen. Ansetzen würde er bei einem eigenständige Bistro- bzw. Gastroangebote sowie optimiertem Sortiment im Foodbereich mit einer Mischung aus A-Marken, Regionalem und Eigenmarken.

Im Bistro-Segment unterscheidet Carsten Nolof, bis Ende Juli Leiter Marketing, Shop, Food, Services bei Total, zwischen Eigenmarken und Eigenentwicklung. Die Mineralölgesellschaft hatte einmal versucht, dort die Marke zu spielen und zum Beispiel ein Baguette mit Leerdamer oder Rügenwalder angeboten. Das sei aber Mittel zum Zweck gewesen, denn Total hatte damals als Absender noch nicht die Kraft, mit einer eigenen Qualität zu punkten. „Heute brauchen wir die Marke nicht mehr. Wir können die Kompetenz über unser Baguette und die hochwertigen Aufstriche und Beläge rüberbringen“, erklärte Nolof. Bekannte Marken seien auf jeden Fall Absender eines Versprechens. Verbraucher wissen, wie sie schmecken. Das war auch Nolofs Ziel für die bundesweit mehr als 1.200 Total- Tankstellen. Der Kunde erwarte die Marke, und er kann sich nicht vorstellen, dass er den günstigeren Preis als Mehrwert wahrnimmt. Nolof wollte von den großen Produktnamen nicht weg.

Aber letztendlich entscheidet der Kunde ergänzt Steffen Eckert, der am 1. August Nolofs Nachfolge im Shopgeschäft von Total angetreten hat: „Wenn er Handelsmarken will, dann wird er die auch bekommen.“

Orlen macht sich ebenfalls für Eigenmarken stark, um ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu demonstrieren. Infrage kommen dafür absatzstarke Produkte sowie Warengruppen, wo der Preisabstand zu Discountern und Supermärkten sonst extrem hoch wäre, etwa Getränke und Süßwaren. Sie werden alternativ angeboten. Wohl einzigartig ist, dass der Mineralölkonzern seine Firmenkennzeichnung, den rot-grünen Stern, auch auf die Waren druckt. Skeptiker geben dazu zu bedenken, dass die optische Distanz zwischen der Food-Eigenmarke und dem Branding von Kraftstoff und Co. gewahrt bleiben sollte.

Einen griffigen Namen für eigene Foods und Nonfoods hat Valora gewählt: ok. Und ein puristisches Design dazu. Damit sei ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal geschaffen. Das macht neugierig, ist Deutschland-Chef Peter Obeldobel überzeugt. Treue Fans etwa der Enegrydrinks seien bereits fleißige Sammler geworden.

Während traditionell den A-Marken die Innovations-Führerschaft zugeschrieben wird, nimmt der Schweizer Kiosk-Betreiber die Entwicklung von Neuheiten selbst in die Hand- und setzt damit auch Akzente, etwa mit überraschenden Geschmacksrichtungen oder Sondereditionen. Nach Angaben Obeldobels hat sich die Edition FC St. Pauli mittlerweile sogar zum Kultprodukt unter den Energydrinks entwickelt.

Wie differenziert Eigen- bzw. Handelsmarken im Shop von den einzelnen Betreibern bewertet werden, spiegeln eindrucksvoll die Tabakwaren wider. Während sie für Carsten Nolof, Total, eine umsatzstarke, aber durch und durch markengetriebene Warengruppe sind, stellt sich Valora ihr mit der Eigenmarke Cigo, denn so stärke man auch die Tabakkompetenz der Valora-Formate.

Das Unternehmen legt Wert darauf, dass seine Handelsmarken genau auf die Zielgruppen abgestimmt sind und sich optimal in die Vertriebsschienen Cigo, K Kiosk, P&B, K Presse + Buch, Avec, U-Store und ServiceStore DB und deren Sortimente einfügen. Grundlage ist eine hausinterne Marktforschung: „Wir überprüfen kontinuierlich, in welchen Bereichen wir ansetzen können. Durch Kassenanalysen, Umfragen und natürlich im direkten Austausch lernen wir unsere Kunden immer besser kennen. Entscheidend ist für uns, dass wir Qualität zum hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis in einem ansprechenden Look bieten.“

In einigen Punkten gleicht sich die Eigenmarken-Philosophie von Valora mit der der Edeka. Auch die Hamburger sagen: „Innovationen zu kreieren ist unser Anspruch.“ Und Tabakwaren sind eine prädestinierte Waren- gruppe für Eigenmarken. Mit den Labels Tawa und Power verfolgt Edeka den Ansatz, das Preiseinstiges-Segment zu bedienen. Besonders hebt der Händler zudem die eigenen Weine, insbesondere die Gastronomie-Range hervor. Diese ist nämlich nicht im klassischen Einzelhandel verfügbar, was wiederum keinen Preisvergleich zum Supermarkt ermöglicht, so wie die Gin-Eigenmarke Henderson’s oder die Energydrink-Serie Booster. Die Hamburger drängen auch in den Bistro-Bereich mit den eigenen Artikeln unter Topkauf und Maître.

Eigenmarke, ja oder nein? Die Frage überlässt die Edeka den Shop-Betreibern, denn es sei auf den Kleinflächen auch eine Platzfrage, so dass es nur eine Entweder-Oder-Entscheidung sein könne. Dabei machen die Hamburger darauf aufmerksam, dass manche Privat Labels als klassische Marke gar nicht angeboten werden.

Facts:

Gut 40 Prozent der Einzelhandelsumsätze entfallen heute auf Eigenmarken, sagen die Statistiken. Wie hoch ihr Anteil in Shops ist, ist nicht genau verifiziert. Dennoch steht das Thema in der Branche immer wieder im Raum. Was aber genau kennzeichnet Eigen- bzw. Handelsmarken? Grundsätzlich gilt, dass der Inhaber der Markenrechte ein Handelsunternehmen oder eine Handelsorganisation ist, über deren Verkaufsformate die Handelsmarken vertrieben werden.

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